Nach über 100 Jahren soll der Eigenmietwert abgeschafft werden

Geschichtliches zum Eigenmietwert

Infolge des Ersten Weltkriegs sank der Zollertrag des Bundes –bis dahin eine seiner wichtigsten Einnahmequellen –um die Hälfte, und es mussten neue Einnahmen erschlossen werden. 1915, also vor über 100 Jahren, stimmten Stimmvolk und die Stände mit grossem Mehr einer einmaligen eidgenössischen Kriegssteuer zu.
Stossendist jedoch, dass die Besteuerung des Eigenmietwerts nach den Krisen nicht wieder rückgängig gemacht wurde, sondern 1958 aus dem Notrecht ins reguläre Recht übernommen wurde.
Die Geschichte lehrt uns, dass einmal eingeführte Steuern kaum wieder verschwinden.
Gewisse politische Kreise halten krampfhaft an der Besteuerung des Eigenmietwerts fest. Verzweifelt wird nach Begründungen gesucht. Eine der meistgehörten ist, dass mit dem Eigenmietwert Eigentümer und Mieter steuerlich gleich behandelt würden.
Eine andere Begründung, die ins gleiche Horn stösst, lautet, Eigentümer könnten steuerlich den Schuldzinsabzug geltend machen, Mieter hingegen keinen Abzug für den Mietzins.
Die Besteuerung des Eigenmietwerts wird aber von der Bevölkerung immer weniger akzeptiert.

1999
Die Volksinitiative «Wohneigentum für alle» kam am 7. Februar 1999 zur Abstimmung. 41,3 % der Bürger stimmten mit «Ja». Immerhin 24 % der Mieter unterstützten die Vorlage.

2004
Änderung der Besteuerung in verschiedenen Bereichen. Unter anderem sollten der Eigenmietwert und der Abzug des Hypothekarschuldzinses abgeschafft werden. Am 16. Mai 2004 stimmten 34,1 % der Bürger mit «Ja», sowie erstaunliche 24 % der Mieter stimmten ebenfalls mit «Ja».

2012
Am 17. Juni 2012 kam die Volksinitiative «Eigene vier Wände dank Bausparen» vor das Stimmvolk. Nachdem bereits am 11. März 2012 eine Bausparinitiative verworfen wurde, war die Ausgangslage für die Bausparinitiative denkbar schlecht. 31,1 % aller Bürger stimmten mit «Ja» und 27 % der Mieter stimmten ebenfalls mit «Ja». Am 23. September 2012 folgte die Volksinitiative «Sicheres Wohnen im Alter». Die Abstimmung ging mit 47,4 % Ja-Stimmen verloren. 37 % der Mieter stimmten der Vorlage zu.

2014
Am 14. März 2013 Einreichung der Motion «Sicheres Wohnen. Einmaliges Wahlrecht beim Eigenmietwert». Diese wurde am 25. September 2014 vom Nationalrat angenommen und kommt nun in die vorberatende Kommission des Ständerats und anschliessend in den Ständerat.

2018
Abschaffung des Eigenmietwerts auf Kurs! Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Ständerates hat die Beratung zum Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung fortgesetzt.
In einem ersten Schritt wurde die Eidgenössische Steuerverwaltung beauftragt, einen Entwurf zu erarbeiten. Dieser soll Anfang 2019 zurück in die Kommission zur weiteren Behandlung kommen.

So könnte ein mögliches Szenario aussehen:

Im Frühjahr 2019 Diskussion des Entwurfes in der Kommission und Durchführung einer Vernehmlassung. Das Geschäft kommt somit kaum vor Herbst 2019 in den Ständerat.
Nationalrat müsste in der Frühjahrs-oder in der Sommer-Session 2020 zustimmen.
Im Herbst 2020 wäre es möglich, das Referendum zu ergreifen. Dann käme die Vorlage vors Volk.
Wann die Abstimmung stattfindet, entscheidet der Bundesrat.
Dies wär wohl nicht vor März oder Juni 2021. Und ist der Schweizer Stimmbürger dagegen, war es das mit der Abschaffung des Eigenmietwerts –schon wieder. Lehnt das Volk das Referendum hingegen ab, kann sich der Bundesrat an die Implementierung des Gesetzes machen.
Ohne Referendum im Herbst 2020 müsste der Bundesrat das Gesetz in Kraft setzen. Je nach Ausmassder Verordnungsanpassungen folgt dann.

WER VON DER ABSCHAFFUNG DES EIGENMIETWERTS PROFITIERT?

Nicht jedem wird der Systemwechsel finanzielle Vorteile bringen. In der Zukunft könnte es sogar für die Mehrheit zu einer Belastung kommen.
Ob sich der Systemwechsel im Einzelfall positiv oder negativ auswirke, hänge von der Belehnung einer Liegenschaft, vom Kanton sowie von ihrem Renovationsbedarf ab, schreibt die UBS in einer Studie zum Thema.
Von Vorteil ist ein Systemwechsel für die Rentner, die in einer älteren Liegenschaft wohnen und diese nur gering belehnt haben. Für Käufer einer neuen Immobilie, die diese zum höchsten Satz von 80% belehnt haben, ergibt sich im derzeitigen Tiefzinsumfeld immer noch ein Vorteil, da erst einmal keine Sanierungskosten anfallen. Weniger günstig sieht es für diese aus, wenn die Hypothekarzinsen steigen und später Sanierungskosten anfallen.

Je höher die Zinsen und die Belehnung, umso ungünstiger ist ein Regimewechsel.

Ein Nachteil wird für Eigentümer von älteren Liegenschaften entstehen. Weil sie künftig die vergleichsweise hohen Sanierungskosten nicht mehr steuerlich geltend machen können, sind sie schlechter gestellt.
Die Mehrheit der Eigenheimbesitzer dürfte von einem Systemwechsel profitieren. Schätzungen rechnen mit Steuerausfällen zwischen 1,4 Mrd. und 2,5 Mrd. Bei einem durchschnittlichen Hypothekarzins von 2,5% würden Eigenheimbesitzer in der Gesamtheit durch den Wechsel benachteiligt, schätzt die UBS. Da mit einem Regimewechsel nicht vor 2020 zu rechnen ist, besteht für Hauseigentümer die Gefahr, dass sich die Zinsen dann schon in Sichtweite dieser Marke befinden werden.

 Zusammenfassung - Regio-Immo-Gazette - Rinaudo & Kiss Immobilien