Zwischen Tradition und neuen Lebensformen

In der Nähe des Berner Länggassquartier auf dem Viererfeld weiden im Sommer die Kühe. Allerdings nicht mehr lange. Äusserst knapp haben sich die städtischen Stimmbürger Anfang Juni für eine Überbauung ausgesprochen. Eine bunte Allianz von Grün bis Rechts bekämpfte die Vorlage. Während die Ersteren den Verlust des Idylls postulierten, störten sich die Vertreter der bürgerlichen Parteien an der «realitätsfremden» Idealisierung des Projektes. Das Pro-Viererfeld-Komitee propagierte trendige Maximen wie «Dichter Bauen», «2000-Watt-Gesellschaft» und «Soziale Durchmischung». Doch gerade dieser Idealismus spaltet die Schweiz. Für die einen verheisst «dichter» eine Zukunft; die anderen sehen im «Dichtestress» eine Bedrohung des Vertrauten. Ein Konsens herrscht gerade noch über das Grundbedürfnis jedes Einwohners, ein Dach über dem Kopf zu haben. Aber bei den konkreteren Fragen «Zu welchem Preis?», «In welchem Haus?» und «Auf welchem Boden?» scheiden sich bereits die Geister.

Objekt- versus Subjektförderung

Die Schweiz ist im globalen Vergleich ein kleines Land und verfügt über knappe Landreserven. Seit der letzten Revision des Raumplanungsgesetzes beschränkt der Bund zudem die übermässige Einzonung von Bodenreserven. Doch neben diesem Status Quo gibt es auch eine dynamische Sicht. Die Zuwanderung aus anderen Ländern hält an, so lange die Schweiz nichts an ihrer Attraktivität als stabiles Land mit hoher Lebensqualität einbüsst. Die Bildung von Metropolitan-Regionen geht einher mit einer dichteren Siedlung und der Entvölkerung der ruralen Schweiz. Dass dies zu einer Veränderung der Bevölkerungsstruktur führen wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Angst vor einer unkontrollierbaren Entwicklung beflügelt sozialpolitische Vorstösse. So haben sich drei Viertel der Zürcher Stimmbürger für die Volksinitiative «Für mehr bezahlbaren Wohnraum» ausgesprochen.

Der neue Grundsatzartikel sieht die schrittweise Erhöhung des Anteils günstiger Mietwohnungen von heute knapp einem Viertel auf einen Drittel bis ins Jahr 2050 vor. Wie diese Ziele zu realisieren sind, ist noch offen. Doch es ist anzunehmen, dass die Limmatstadt auf einen der Eckpfeiler der städtischen Wohnungspolitik setzt, der seit über 80 Jahren unverändert geblieben ist. Im Zentrum dieser Politik stand und steht die Objektförderung, das heisst die gezielte Verbilligung von Wohnraum. Wie in den meisten europäischen Ländern wurde die Objektförderung ihrer Alternative, der Subjektförderung, welche eine direkte Unterstützung der bedürftigen Haushalte vorsieht, klar vorgezogen. Das städtische Wohnungsportfolio von rund 9'000 Wohnungen ist relativ klein. Soziale Wohnpolitik in Zürich wird deshalb vorwiegend indirekt mit der Abgabe von Bauland im Baurecht an die Baugenossenschaften gemacht.

Quelle: IAZI-News